Richtlinie des BMF vom 07.11.2014, BMF-010103/0166-IV/4/2014

17. Aussetzung der Einbringung (§ 231 BAO)

17.1. Anwendungsbereich für die Aussetzung der Einbringung (§ 231 Abs. 1 BAO)

1490Die Aussetzung der Einbringung ist eine amtswegige, im Interesse der Verwaltungsvereinfachung liegende innerbehördliche Maßnahme, die der Vermeidung von Einbringungsschritten dient, wenn solche zunächst erfolglos versucht oder wegen Aussichtslosigkeit unterlassen worden sind, aber die Möglichkeit besteht, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt zum Erfolg führen können. Eine Aussetzung der Einbringung kommt auch dann in Betracht, wenn der für die Einbringung erforderliche Verwaltungsaufwand außer Verhältnis zu dem einzubringenden Betrag stehen würde. Das Wesen einer Aussetzung der Einbringung besteht darin, dass die Abgabenbehörde ihrer Verpflichtung, Maßnahmen zur Durchsetzung des vollstreckbaren Abgabenanspruches zu ergreifen, vorerst enthoben wird.

17.2. Ermessen

1491Die Verfügung der Aussetzung der Einbringung ist in das Ermessen der Behörde gestellt; ein Rechtsanspruch auf Aussetzung der Einbringung besteht somit nicht (VwGH 15.4.1997, 96/14/0001; VwGH 24.10.2013, 2012/15/0020). Eine sachgerechte Ermessensübung lässt es etwa unzweckmäßig erscheinen, eine Aussetzung der Einbringung vorzunehmen, wenn zwar Einbringungsmaßnahmen erfolglos versucht oder wegen Aussichtslosigkeit zunächst unterlassen wurden, jedoch zu erwarten ist, dass in absehbarer Zeit eine Gutschrift auf dem Abgabenkonto des Abgabepflichtigen wirksam wird, die den Rückstand beseitigt.

1492Über die Aussetzung der Einbringung ergeht kein Bescheid (VwGH 24.10.2013, 2012/15/0020). Der Abgabepflichtige bekommt lediglich Buchungsmitteilungen über alle die Aussetzung betreffenden Vorgänge (Gutschrift bei Vornahme der Aussetzung, Lastschrift bei Wiederaufnahme der Einbringung).

17.3. Wirkung der Aussetzung der Einbringung

1493Die Wirkung einer Aussetzung der Einbringung besteht darin, dass die betroffene Abgabenschuldigkeit ganz oder zum Teil aus der laufenden Verbuchung der Gebarung herausgenommen wird. Die Höhe des Rückstandes sowie Fälligkeit und Vollstreckbarkeit der Abgabe werden hiedurch nicht berührt. Aus einer auf dem Abgabenkonto erfolgten Gutschrift auf Grund einer Aussetzung der Einbringung ergibt sich somit kein Tilgungstatbestand. Hierauf ist bei Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen für die Ausstellung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung (§ 160 BAO) vorliegen, Bedacht zu nehmen. Da die Aussetzung nicht zu einem Erlöschen der Abgabenschuld führt, bleiben nicht nur die Ansprüche als solche, sondern gegebenenfalls auch die zu ihren Gunsten erworbenen Pfandrechte aufrecht. Dies ist insbesondere bedeutsam, wenn im Zeitpunkt der Verfügung der Aussetzung der Einbringung bei Verwertung einer Liegenschaft, an der ein Pfandrecht zu Gunsten des Abgabenanspruches besteht, wegen des ungünstigen Pfandranges eine Befriedigung der Abgabenforderung nicht erwartet werden kann.

1494Insoweit auf Grund insolvenzrechtlicher Bestimmungen ( IO) Einbringungsmaßnahmen nicht zulässig sind und keine Zahlungen eingehen, kommt eine Aussetzung der Einbringung in Betracht.

1495Da sich die grundsätzliche Verrechnungsregelung des § 214 Abs. 1 BAO ihrem Sinn und Zweck nach nur auf Abgaben beziehen kann, die einzuheben sind, findet diese Vorschrift auf ausgesetzte Beträge keine Anwendung; dh. Zahlungen und sonstige Gutschriften sind, solange die Aussetzung aufrecht ist, nicht auf den ausgesetzten Betrag zu verrechnen, auch wenn es sich hiebei um die dem Zahlungstermin nach älteste verbuchte Abgabenschuldigkeit handelt.

1496Weiterhin anwendbar ist trotz Aussetzung der Einbringung etwa § 214 Abs. 8 BAO, wenn zB eine (teilweise) stattgebende Erledigung einer Bescheidbeschwerde zu einer Gutschrift hinsichtlich einer ausgesetzten Abgabe führt.

17.4. Keine Stundungszinsen

1497Die Aussetzung der Einbringung hat zwar den Charakter eines Moratoriums, ist aber keine Stundung, weshalb es für die Zeit der Aussetzung nicht zur Festsetzung von Stundungszinsen kommen kann.

1498Das Finanzamt hat in angemessenen Zeitabständen zu prüfen, ob die für die Verfügung der Aussetzung der Einbringung maßgeblich gewesenen Gründe noch bestehen. Das Ergebnis dieser Prüfung ist gemäß § 89 BAO in einem Aktenvermerk festzuhalten.

17.5. Voraussetzungen für die Aussetzung der Einbringung

1499Zu den einzelnen Voraussetzungen für eine Aussetzung der Einbringung ist Folgendes zu bemerken:

1500Es muss zunächst eine Uneinbringlichkeit gegeben sein, aber Aussicht auf spätere Einbringlichkeit bestehen. Der Schwerpunkt liegt auf dem Wort "zunächst", dh., dass der Abgabepflichtige im Augenblick nicht über ausreichende Mittel oder Vermögenswerte verfügt, um die Abgaben zu entrichten; es müssen jedoch Umstände dafür sprechen oder es muss zumindest eine geringe Wahrscheinlichkeit gegeben sein, dass der Abgabepflichtige zu einem späteren Zeitpunkt dazu in der Lage sein wird. Sind hingegen alle Möglichkeiten der Einbringung erfolglos versucht worden oder Einbringungsmaßnahmen offensichtlich aussichtslos und kann auf Grund der Sachlage nicht angenommen werden, dass die Einbringlichkeit der Abgaben zu einem späteren Zeitpunkt gegeben sein wird, so können die fälligen Abgabenschuldigkeiten durch Abschreibung gelöscht werden (§ 235 BAO).

1501Bezüglich des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, wonach die Aussetzung der Einbringung in Betracht kommt, wenn der für die Einbringung erforderliche Verwaltungsaufwand im Verhältnis zum einzubringenden Betrag zu hoch erscheint, wird es stets auf die Umstände des Einzelfalles ankommen.

1502Für Abgabenschulden fallen Säumniszuschläge insoweit nicht an, als ihre Einbringung gemäß § 231 BAO ausgesetzt ist (§ 217 Abs. 4 lit. d BAO). Die Dreimonatsfristen des § 217 Abs. 3 BAO werden durch die Verfügung der Aussetzung der Einbringung unterbrochen und beginnen mit der Wiederaufnahme der Einbringung neu zu laufen (§ 217 Abs. 3 in Verbindung mit § 217 Abs. 4 lit. d BAO).

17.6. Wiederaufnahme der Aussetzung

1503Stellt sich heraus, dass die Voraussetzungen für die Aussetzung nicht mehr (in vollem Ausmaß) bestehen, so ist die Einbringung insoweit wiederaufzunehmen; dies geschieht dadurch, dass die ausgesetzte Abgabenschuldigkeit ganz oder zum Teil in Form einer Lastschrift in die Gebarung aufgenommen wird. Ebenso wie bei der Verfügung der Aussetzung der Einbringung handelt es sich bei der Wiederaufnahme der Einbringung um eine verwaltungsinterne Maßnahme, die lediglich eine Buchungsmitteilung und keinen Bescheid auslöst (VwGH 15.4.1997, 96/14/0001; VwGH 24.10.2013, 2012/15/0020). Die Aussetzung der Einbringung stellt eine interne Maßnahme der Abgabenverwaltung dar; ein Rechtsanspruch auf Aussetzung besteht nicht. Daraus folgt für den contrarius actus der Wiederaufnahme der Aussetzung nach § 231 Abs. 2 BAO, dass auch dieser als behördeninterne Maßnahme anzusehen ist.

1504Ergibt sich hingegen während der Dauer der Aussetzung der Einbringung für einen Abgabepflichtigen aus der laufenden Verbuchung der Gebarung ein Guthaben, so ist die Einbringung jedenfalls in dem Ausmaß wiederaufzunehmen, als die ausgesetzte Schuldigkeit durch das Guthaben getilgt werden könnte (siehe Rz 115).

1505Vor jeder Bescheidbuchung (zB § 295 BAO), die eine ausgesetzte Abgabe betrifft, ist die Einbringung insoweit wieder aufzunehmen.

1506Die Einbringung ist auch insoweit wiederaufzunehmen, als eine Kompensation vorgenommen wird (zB aufgrund von Eilnachrichten).

1507Durch die Wiederaufnahme der Einbringung werden bereits durchgeführte Gebarungsvorgänge nicht neuerlich aufgerollt.

1508Ist die Abgabe endgültig uneinbringlich geworden, so ist die Löschung nach § 235 BAO zu verfügen.

1509Ist während der Zeit der Aussetzung der Einbringung Einhebungsverjährung (§ 238 BAO) eingetreten, so ist der ausgesetzte Abgabenbetrag nach Rückübertragung in die laufende Verrechnung unter Bezugnahme auf die genannte Bestimmung abzuschreiben (siehe Rz 1607).

1510Auf im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren verhängte Geldstrafen und Wertersätze kann § 231 BAO nur angewendet werden, wenn Einbringungsmaßnahmen weder Erfolg hatten noch einen solchen versprechen und der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe gegenwärtig nicht möglich ist, aber die Möglichkeit besteht, dass der Betrag zu einem späteren Zeitpunkt einbringlich erscheint.

17.7. Unterschiede zwischen Aussetzung der Einbringung (§ 231 BAO) und Aussetzung der Einhebung (§ 212a BAO)

1511


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Aussetzung der Einbringung
Aussetzung der Einhebung
Amtswegige Maßnahme.
Antragsabhängige Maßnahme.
Verfügung der Aussetzung liegt bei Vorliegen aller Voraussetzungen im Ermessen der Behörde.
Rechtsanspruch bei Vorliegen aller Voraussetzungen.
Verwaltungsinterne Maßnahme, kein Bescheid.
Bewilligung erfolgt durch Bescheid.
Sonstige Gutschriften, die in laufender Verbuchung der Gebarung zu einem Guthaben führen, lösen insoweit eine Wiederaufnahme der Einbringung aus.
Sonstige Gutschriften mindern ausgesetzte Beträge nur mit Zustimmung des Abgabepflichtigen.
Ein rückzahlungsfähiges Guthaben ist neben ausgesetzten Beträgen nicht möglich.
Ein rückzahlungsfähiges Guthaben ist neben ausgesetzten Beträgen möglich.
Keine Aussetzungszinsen.
Verpflichtung zur Entrichtung von Aussetzungszinsen.

Randzahlen 1512 bis 1549: derzeit frei


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Zusatzinformationen
Gültig ab:
07.11.2014
Betroffene Normen:
§ 231 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 231 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 217 Abs. 4 lit. d BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 217 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 235 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 238 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte:
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Stammfassung:
05 2202/1-IV/5/03

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
EAAAA-76459