Richtlinie des BMF vom 07.05.2018, BMF-010203/0171-IV/6/2018
4 Gewinnermittlung - Allgemeine Vorschriften (§§ 4 und 5 EStG 1988)
4.1 Gewinn, Betriebsvermögen, Betriebsvermögensvergleich
4.1.10 Betriebsvermögen

4.1.10.4 Notwendiges Betriebsvermögen

469Man unterscheidet notwendiges Betriebsvermögen, gewillkürtes Betriebsvermögen und notwendiges Privatvermögen. Der Umfang des Betriebsvermögens bestimmt sich ausschließlich nach steuerlichen Vorschriften (VwGH 27.1.1998, 93/14/0166).

470In die Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 1 und 3 EStG 1988 kann nur notwendiges Betriebsvermögen einbezogen werden (VwGH 13.9.1988, 88/14/0072; VwGH 20.9.1988, 87/14/0168; VwGH 13.6.1989, 86/14/0129; VwGH 3.4.1990, 87/14/0122 - Judikatur zu § 4 Abs. 1 EStG 1988; VwGH 24.1.1996, 93/13/0004; VwGH 22.10.1997, 93/13/0267; VwGH 19.11.1998, 96/15/0051).

471Notwendiges Betriebsvermögen sind jene Wirtschaftsgüter, die objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb bestimmt sind und ihm auch tatsächlich dienen.

Maßgebend für die Zuordnung zum Betriebsvermögen sind

  • die Zweckbestimmung des Wirtschaftsgutes,

  • die Besonderheit des Betriebes und des Berufszweiges, sowie

  • die Verkehrsauffassung.

472Die Art der Nutzung eines Wirtschaftsgutes ist für die Zugehörigkeit zum Privatvermögen oder zum Betriebsvermögen entscheidend (VwGH 10.4.1997, 94/15/0211). Der Unternehmer hat bei notwendigem Betriebsvermögen kein Wahlrecht, ob er es in sein steuerliches Betriebsvermögen einbezieht oder nicht. Ein zB für Lagerzwecke des Betriebes tatsächlich genutztes Grundstück des Unternehmers ist auch dann steuerliches Betriebsvermögen, wenn dieses Grundstück nicht in der Bilanz erfasst ist.

Wenn der Einsatz eines Wirtschaftsgutes im Betrieb als möglich in Betracht kommt, aber noch nicht sicher ist, fehlt es grundsätzlich an dem für die Eigenschaft als notwendiges Betriebsvermögen erforderlichen Zusammenhang (VwGH 22.10.1997, 93/13/0267; VwGH 20.2.1998, 96/15/0192).

473Auch wenn es dem Unternehmer überlassen ist, welche betrieblichen Mittel und Einrichtungen er einsetzt, so können einem Betrieb doch nur Gegenstände dienstbar gemacht werden, die in einem objektiven Zusammenhang mit dem Betrieb stehen und geeignet sind, eine Funktion im Betriebsgeschehen zu erfüllen. Für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern sind nicht betriebswirtschaftliche, sondern bloß steuerliche Gesichtspunkte entscheidend (VwGH 27.1.1998, 93/14/0166).

474Notwendiges Privatvermögen wird nicht schon deswegen zu Betriebsvermögen, weil es der Besicherung von Betriebsschulden dient (VwGH 10.4.1997, 94/15/0211).

475Notwendiges Betriebsvermögen ist in die Steuerbilanz aufzunehmen. Ein Wirtschaftsgut, das nicht ins Betriebsvermögen aufgenommen wurde, verliert nicht die Eigenschaft des notwendigen Betriebsvermögens (VwGH 16.12.1966, 0780/65; VwGH 24.11.1967, 0283/67; VwGH 12.3.1969, 1435/68; VwGH 25.2.1970, 1099/68; VwGH 26.11.1985, 85/14/0076). Die buchmäßige Behandlung ist daher bei Vorliegen eines notwendigen Betriebsvermögens unbeachtlich.

476Die im Geschäft des Steuerpflichtigen veräußerten Waren zählen im Zeitpunkt des Verkaufes selbst dann zum notwendigen Betriebsvermögen, wenn sie aus dem Privatvermögen des Steuerpflichtigen stammen (VwGH 13.5.1975, 0835/74). Die Entnahme von notwendigem Betriebsvermögen für Zwecke des Verkaufes ist unwirksam, der Verkauf ist als betrieblicher Vorgang zu besteuern (VwGH 4.12.1959, 0718/56); dies gilt auch für Personengesellschaften (VwGH 16.12.1966, 0780/65). Bei notwendigem Betriebsvermögen kann eine Entnahme nur durch Zweckentfremdung (Verwendung zu anderen als betrieblichen Zwecken) oder unentgeltliche Übertragung auf Dritte bewirkt werden; die bloße Schenkungsabsicht (Schenkungsversprechen) genügt aber nicht (VwGH 23.9.1970, 1237/68).

477Subjektive Momente, wie zB der Anschaffungsgrund, sind für die Qualifikation nicht entscheidend (VwGH 20.2.1998, 96/15/0192):

  • Bloß innere, nicht in der Außenwelt zum Ausdruck kommende Überlegungen des Steuerpflichtigen sind für die Zuordnung nicht maßgeblich (VwGH 25.10.1994, 94/14/0115).

  • Die bloße Absicht, ein betrieblich genutztes Wirtschaftsgut in ferner Zukunft ausschließlich privat zu nutzen, ist als bloß subjektives Moment für die Frage, ob ein Wirtschaftsgut zum notwendigen Betriebsvermögen oder zum Privatvermögen gehört, nicht entscheidend (VwGH 25.2.1997, 96/14/0022).

  • Die Absicht, ein Wirtschaftsgut betrieblich zu nutzen, stellt einen inneren Vorgang (Willensentschluss) dar, der erst dann zu einer steuerlich erheblichen Tatsache wird, wenn er durch seine Manifestation in die Außenwelt tritt. Es genügt daher nicht, dass die Absicht besteht, ein Wirtschaftsgut betrieblich zu nutzen (VwGH 21.6.1994, 93/14/0217). Vielmehr muss diese Absicht innerhalb eines angemessenen Zeitraumes zu einer tatsächlichen betrieblichen Nutzung eines Wirtschaftsgutes führen (VwGH 25.11.1997, 93/14/0159).

478Notwendiges Betriebsvermögen kann bei Beendigung der betrieblichen Nutzung als gewillkürtes Betriebsvermögen belassen werden, wenn das Wirtschaftsgut weiter in den Büchern eines Steuerpflichtigen, der den Gewinn nach § 5 EStG 1988 ermittelt, aufscheint (VwGH 25.10.1994, 94/14/0115) und nicht zum notwendigem Privatvermögen wird.

4.1.10.4.1 Gemischt genutzte bewegliche Wirtschaftsgüter (Aufteilungsverbot bei beweglichen Wirtschaftsgütern)

479Die Frage, ob ein Wirtschaftsgut zum notwendigen Betriebsvermögen zählt, ist im Allgemeinen für das Wirtschaftsgut als Ganzes zu beurteilen; es ist entweder zur Gänze dem Betriebsvermögen oder zur Gänze dem Privatvermögen zuzurechnen (VwGH 29.7.1997, 93/14/0062). Wird ein Wirtschaftsgut sowohl betrieblich als auch privat genutzt, führt überwiegende betriebliche Nutzung grundsätzlich zu notwendigem Betriebsvermögen, überwiegende private Nutzung grundsätzlich zu Privatvermögen (VwGH 19.11.1998, 96/15/0051).

Ist im Falle einer Mischnutzung kein Überwiegen feststellbar (betriebliches und privates Nutzungsausmaß sind gleich), steht die Zuordnung zum Betriebsvermögen bzw. zum Privatvermögen in der Wahl des Steuerpflichtigen.

480Ist ein Wirtschaftsgut auf Grund der überwiegend betrieblichen Nutzung dem notwendigen Betriebsvermögen zuzurechnen, so sind sämtliche Aufwendungen zunächst Betriebsausgaben. Die private Nutzung ist als Entnahme zu berücksichtigen (Nutzungsentnahme), wobei die Bewertung der Nutzungsentnahme mit dem entsprechenden Anteil an den Betriebsausgaben erfolgt. Es sind daher die auf die Privatnutzung entfallenden Beträge an AfA, Reparaturen, Betriebskosten sowie Finanzierungsaufwendungen als Entnahmewert anzusetzen (VwGH 18.2.1999, 98/15/0192).

Bei der Veräußerung eines überwiegend betrieblich genutzten Wirtschaftsgutes stellt der Veräußerungserlös zur Gänze eine Betriebseinnahme dar (kein Ausscheiden eines Privatanteiles). Dies gilt auch für einen Verlust (VwGH 16.2.1962, 1777/61; VwGH 5.2.1965, 1392/64; VwGH 29.1.1975, 1919/74; VwGH 10.7.1996, 96/15/0124; VwGH 10.7.1996, 96/15/0125).

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Betrieblich genutzte bewegliche Wirtschaftsgüter
Betriebliche Nutzung
0 - 50%
50 - 100%
Zurechnung zum Betriebsvermögen
0%
100%
Erfassung stiller Reserven bei Verkauf oder Entnahme
0%
100%
Absetzung für Abnutzung, sonstige nicht zurechenbare Aufwendungen
0 - 50%
100%
davon Privatanteil
0%
0 - 50%


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Zusatzinformationen
Gültig ab:
07.05.2018
Betroffene Normen:
§ 4 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 4 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 5 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Schlagworte:
Notwendiges Privatvermögen - gewillkürtes Betriebsvermögen - bewegliche Wirtschaftsgüter - bewegliches Wirtschaftsgut - Aufteilungsverbot.
Stammfassung:
06 0104/9-IV/6/00

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
LAAAA-76448